So what! by Marlene Faro
Autor:Marlene Faro [Faro, Marlene]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2016-02-09T00:00:00+00:00
Lilli liebte Hotelzimmer. Vorzugsweise in alten, feudalen Kästen, die Namen wie »Carlton« oder »Palace« trugen. Wo die Gänge mit blutroten Teppichen ausgelegt waren und die Zimmermädchen an jedem Morgen frische Blumenarrangements zurechtzupften.
Sie lehnte am Fenster, eingerahmt von Vorhängen aus blauem Brokat, die sich wie eine Bühnendekoration bauschten, und blickte auf die Piazza Cavour hinab. Auf einem Tischchen aus blank poliertem Nussholz standen die Reste des Frühstücks, ein halb volles Glas mit Orangensaft, Krümel von Croissants, eine silberne Kaffeekanne, leere Töpfchen, die klebrig waren von Marmelade und Honig. Lilli zog ihren Bademantel enger um sich, er war so wunderbar weich und blütenweiÃ, nie wurde ihre Wäsche zu Hause so kuschelig, egal wie viel Weichspüler sie auch in die Waschmaschine leerte. Sie machte einen Schritt weg vom Fenster und goss sich eine letzte Tasse Kaffee ein, dann setzte sie sich auf das breite Doppelbett, oder präziser, sie versank darin.
Zum Glück ist Marcel nicht hier, dachte sie, dieser alte Griesgram. Ungeniert zur Schau gestellter Luxus war ihm stets ein Gräuel gewesen, in teuren Restaurants war er ihr immer gegenübergesessen und hatte unbehaglich an seiner Krawatte gezerrt. Jawohl, ich bin froh, dass du nicht da bist, dachte Lilli grimmig. Sie war entschlossen, sich dieses wunderbare Zimmer nicht durch Wehmut vermiesen zu lassen. Und überhaupt â¦
Der Kaffee schmeckte kalt und bitter, Lilli stellte die Tasse ab. Warum sollte sie ihren Exmann auch vermissen? Jedes Wort hatte man ihm aus der Nase ziehen müssen, jede Vertraulichkeit abringen. Und immer hatte sie alles zu verstehen und zu erklären versucht, seine plötzliche Distanz, seine Gefühlsschwankungen, seine Ironie, mit der er sie so oft verletzt hatte. Aber mit mir nicht mehr, dachte Lilli.
Sie kämpfte sich aus dem weichen Bett hoch und ging ins Badezimmer, um den Wasserhahn der Wanne aufzudrehen. Nur ganz selten hatte Marcel von seiner Jugend erzählt. Wie es war, von Jesuiten erzogen zu werden. Wenn das Kind Marcel Durst hatte, dann lieà es einen Becher mit Wasser voll laufen und leerte diesen Becher ganz langsam wieder aus. Erst mit dem zweiten Becher stillte es seinen Durst. So hatte es ihm Pater Rupert beigebracht, sein Lehrer, über den Lilli mehr wusste als über irgendein Mitglied von Marcels Familie. Diese Geschichte hatte sie immer unendlich gerührt. Und sie hatte sich vorgenommen, damals, den Mann Marcel mit ihrer Liebe zu durchtränken, den Panzer aus Selbstdisziplin zu sprengen, seinen Durst zu löschen.
Das heiÃe Wasser sprudelte in die Wanne, Dampfschwaden zogen durch den Raum. Lilli griff nach einem Glas mit rosa Badekristallen und streute sie groÃzügig aus, Schaumkronen entstanden und wuchsen an, es duftete nach Pfirsich. Lilli starrte in den Spiegel, aber der war so beschlagen, dass sie nur ein bleiches Schimmern wahrnahm, als ob sie unter Eis treiben würde. Dann bückte sie sich und zog den Stöpsel aus der Wanne.
Die Kälte war über Nacht gekommen. Reif lag auf den Ãsten der Bäume in den Giardini Pubblici, die reichen Mailänderinnen trugen ungeniert ihre Nerzmäntel spazieren. In den Auslagen der Delikatessenhandlungen und auf allen Theken stapelten sich Pyramiden aus Panettone, den berühmten
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